Vom warming up zum Farbenkleid
Startklar im Atelier
Mitte Februar – Chopin and me. Langsam mache ich mein Atelier im Garten startklar für das neue Jahr.
Ich bin heuer später dran als sonst, denn meine Gallenblase forderte in den ersten beiden Monaten des Jahres vehement Aufmerksamkeit und Zeit. Die bekam sie auch und wurde entfernt.
Inhalt
Wieder auf den Beinen, versuche ich mein künstlerisches Murmeltier aus dem Winterschlaf zu locken. Am besten gelingt mir das mit kleinen „Übungen“, die leicht und schnell von der Hand gehen. Ohnehin liebe ich kleine Büchlein mit Bildersammlungen. Warum also nicht ein neues?
Büchlein, Büchlein…
Bleistift, Tusche und ein Schaschlikstäbchen. Aquarellfarben von meiner Freundin Eva, dazu ein paar selbst gekaufte Tiegel im Glitzer-Metallic-Style und schon kann’s losgehen.
Warm eingeheizt in meinem Stübchen, still und mit Blick in den noch winterlichen Garten. Nein, nicht mehr ganz winterlich. Im Hochbeet vor dem südseitigen Fenster des Ateliers zeigt sich mutig saftiges Grün der Zitronenmelisse und das einzige Erdbeerpflänzchen im Beet präsentiert stolz seine kräftigen Blätter.
Blick aufs winterliche Hochbeet
Tanz der Linien und Flächen
Die Zeit scheint stillzustehen. Farbflächen, Linien und Farbspritzer fügen sich auf dem fasrigen Aquarellpapier zu kleinen Kompositionen zusammen. Altrosa, Frühlingsgrün, Taubengrau. Nebeneinander und miteinander. Grau kratzen sich Bleistiftstriche aufs Papier. In glänzend nassem Schwarz finden Akzente aus Tusche ihren Platz. Das Rauschen des Heißluftföhns durchbricht für Momente die Stille.
Impressionen von der Arbeit an „Chopin and me“
Chopin and me – Time for Social Media
Ein neuer Tag. Meine Social Media Stunde. Freudig schicke ich meinem lieben Freund Denis Yavorsky ein paar Fotos meiner Aquarelle. Denis ist Konzertpianist und oft in den Konzertsälen der großen weiten Welt unterwegs. Er mag meine Bilder und ich denke, er freut sich über einen Morgengruß.
Morgengruß – Chopins Etüden no. 13, 21 und 18 im Farbenkleid
“Your little series of pictures is like Chopin’s etudes. Every miniature has its own charm and beauty. It’s remarkable that the pictures have a three-part structure – like Chopin’s etudes.”
Eine unerwartete Antwort. Ein heller Gedankenblitz in meinem Gehirn. Und da war sie. Die Idee für ein kleines Büchlein – Farbkleider für die Etüden.
Das mit der dreiteiligen Struktur ließ ich mir dann doch noch einmal genauer erklären. Chopins Etüden hatte ich zwar schon einmal gehört, aber eben nur gehört und nicht analysiert.
Wie kommt Musik zu einem Farbenkleid?
Der Weg des Malers wäre es vielleicht, sich in die Musik einzufühlen und sie farblich auszudrücken. Man könnte sich aber auch an den Titeln der Musikstücke orientieren. Oder an beidem. Egal wie, malerisch käme man ziemlich sicher zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Oder aber der Musiker betrachtet die Bilder und findet durch Form, Farbe und Rhythmus eine Verbindung zur Musik. Genau so war es, als Denis mein Aquarell Exercise Book durchblätterte.
Denis, mit Herz und Seele der Musik verschrieben, hat schon in der Vergangenheit Aufbau und Farbgestaltung meiner Bilder mit Werken aus der Welt der Musik assoziiert. Sehr spontan war auch diesmal seine Reaktion auf die luftig, leichten Aquarelle. Für ihn waren es eindeutig Chopins Etüden op. 10 und 25. Bald schon standen 22 Klang-Bild-Paare fest. Für die fehlenden Etüden hörte ich mich selbst in die Musik ein. Erst ließ ich mich von Titeln irritieren, die irgendjemand irgendwann den Etüden gegeben hatte. Chopin selbst hatte seine Etüden nie betitelt. Also hörte ich sie noch einmal. Diesmal anders.
Next step
So nahmen die Dinge ihren Lauf. Für zwei Tage verschwand ich in Versenkung und Improvisation. Gute Fotos mit dem Handy sind eine Kunst, aber nicht unmöglich. Hatte ich doch vor eigner Zeit an einem Online Workshop der Berliner Fotografin Kerstin Sönnichsen genau zu diesem Thema teilgenommen. Weißer Untergrund. Weißes Papier als Reflektor. Ringleuchte von oben. Ringleuchte auf dem Schreibtisch liegend – gegen allzu harte Schatten. Kaffee. Katze füttern. Nachbearbeitung mit der Bildbearbeitungs-Software und schließlich Layout und Text im Fotobuch Programm. Nach zwei Tagen waren Buch und ich geschafft und ich klickte nach gefühlten 100 Kontrollen auf den „Send“ Button.
Futter oder Malheur – ich habe die Wahl
Wandel
Die Arbeit an „Chopin and me“ ist getan und kann mich gemütlich zurücklehnen und auf die Zustellung der Bücher warten. Immer wieder sehe ich mir zwischendurch meine Aquarelle an und stelle mir Chopins Klavierklänge dazu vor. Zeit vergeht und ich gewinne Abstand. Oder ist es vielleicht doch Zugang, den ich gewinne? Plötzlich sehe ich Dynamik, Bewegung und Klänge in den Bildern. Es ist, als würde sich mir ganz sachte eine neue Welt eröffnen. Zufrieden und dankbar fühle ich mich für den Zu-Fall, der mit meinem Freund Denis und Chopins Etüden wie aus heiterem Himmel in mein Atelier gepurzelt ist.